Ein herausforderndes Jahr
Die Jahresplanung für 2020 mit Veranstaltungen, bereits bestehenden und neuen Gruppenangeboten, mit Schwerpunkten sowie Gestaltungsraum für spontane Themen, war bereits Ende 2019 abgeschlossen. Keiner konnte ahnen, dass ab März die Corona Pandemie unser Privat- und Arbeitsleben bestimmen und uns vor neue Herausforderungen stellen würde. Krisengespräche, Hygienekonzepte in zig überarbeiteten Versionen und die konstante Präsenz vor Ort im Stadtteilzentrum Familiengarten, um Ansprechpartner*innen für Anwohner*innen mit verschiedensten Fragestellungen und hilfebedürftigen Menschen zu bleiben, stellte das gesamte Team vor große Herausforderungen.
Obdachlosigkeit im Stadtteil
2020 begann mit dem Schwerpunktthema Obdachlosigkeit. Gemeinsam mit dem Nachbarschaftshaus Urbanstraße und dem Familienzentrum Kiezanker, organisierte die Gemeinwesenarbeit des Stadtteilzentrums Familiengarten im Rahmen des Zusammenschlusses „#PlanungsräumeNeuVernetzt“, die Veranstaltung „Fragt uns doch einfach! Obdachlosigkeit in Kreuzberg geht uns alle an“ am 21.1. im aquarium. Betroffene sowie Mitarbeiter*innen von Fixpunkt e.V., der Berliner Stadtmission und KuB-Hilfen für junge Menschen kamen dabei zu Wort. Eine überwältigende Anzahl an Besucher*innen zeigte: das Thema ist hochaktuell und beschäftigt viele Menschen. Die umfassende Dokumentation zur Veranstaltung gibt es hier. Der Familiengarten beteiligte sich außerdem am 29.1. als Zählzentrum für Freiwillige bei der „Nacht der Solidarität“.
Ausstellungen
Auch wenn in normalen Jahren etwa 8 Ausstellungen im Familiengarten gezeigt werden, konnten in 2020 immerhin drei realisiert werden: „Ein gewisser Blick“ der Kunstwerkstatt der Lebenshilfe Berlin vom 12.2.-1.3., „Selbst-bestimmt inklusiv(e)“ von Sven Kocar vom 4.3.-11.8. und „Stay at Home – Evde Kal – Bleib zu Hause“ von Halise Hızlıok vom 20.8.-31.12.. Hier ein paar Impressionen der Ausstellung der Kunstwerkstatt der Lebenshilfe Berlin:
Der erste Lockdown
Während des ersten Lockdowns, im Zeitraum 17.3.-31.5., haben Ehrenamtler*innen und Mitarbeiter*innen des Familiengartens circa 1.500 Stoffmasken genäht und diese an Einrichtungen und Besucher*innen der Sozialberatung verteilt.
Da auf Einmal alle Gruppentreffen vorrangig älterer Menschen ausfielen, war es wichtig, in dieser isolierten und ungewissen Zeit, den Kontakt zu den Älteren aufrecht zu erhalten. Das Familiengarten-Team rief die älteren Besucher*innen regelmäßig für einen kleinen Plausch an und verschickte Briefe nach Hause. Da viele Menschen mit Migrationshintergrund den Familiengarten besuchen, wurden Übersetzungen verschiedenster Infotexte in leichter Sprache angefertigt und verschickt, im Kiez aufgehangen und verteilt. Mit dem Netzwerk Gesundheit, Pflege und Kultur wurden außerdem Einkaufsdienste von Ehrenamtler*innen für hilfebedürftige Menschen organisiert. Auch das Sportprogramm im Familiengarten wurde nicht eingestellt, sondern die Kurse fanden online über zoom statt. Die wöchentliche Laufgruppe konnte durch Abstandsregeln weiterhin draußen gemeinsam Sport machen.
Im Lockdown zeigte sich, dass Menschen nach wie vor, wenn nicht sogar noch mehr, auf den sozialen Kontakt angewiesen waren. Sehr viele Menschen mussten außerdem Beratung- und Informationsangebote wahrnehmen. Telefonisch, über zoom, Email und auch in Person, konnten Hilfesuchende sich an das Familiengarten-Team wenden. Ein nicht zu unterschätzender Teil der Menschen hat keinen Zugang zur digitalen Lebenswelt, daher war es sehr wichtig, dass das Familiengarten-Team durchgehend in der Pandemiezeit erreichbar war und auch weiterhin ist. Der Hauptfokus lag im ersten Lockdown und auch danach also auf der Beratung und Gesprächsangeboten gegen Vereinsamung. Der Bedarf war immens. Allein persönlich kamen mehr als 400 Menschen im Lockdown vorbei, circa 200 Menschen pro Monat bis Juli, die persönlich, telefonisch oder über das Internet beraten wurden.
Schrittweise Öffnung des Familiengartens
In der schrittweisen Öffnung ab 1.6. konnten vereinzelt wieder Gruppentreffen und Veranstaltungen mit neuen Hygienekonzepten stattfinden. Um die älteren Besucher*innen besser zu schützen, wurden ihre Gruppen aufgeteilt. Auch die Treffen von BANA, die Literaturveranstaltungen von simurg (als Stream) oder auch der Nähkurs konnte wieder stattfinden. In der zweiten Jahreshälfte konnte außerdem die Kooperation mit TIO e.V. vertieft werden und Elternschulungen zum Thema Pubertät in türkischer Sprache angeboten werden.
Kreuzberger Kiezutopien
Die Zusammenarbeit von „#PlanungsräumeNeuVernetzt“ lief ebenfalls im Lockdown weiter. Es wurde eine neue Mitmach-Kampagne ins Leben gerufen: Kreuzberger Kiezutopien. Will man wirklich nach der Corona-Krise ins alte Leben zurück oder könnte die Krise auch eine Chance auf ein besseres Leben im Kiez sein?
Tag der Nachbarschaft
Der „Tag der Nachbarschaft“ am 29.5. konnte in 2020 natürlich leider nicht mit einem ausgelassenen Fest vor dem FHXB-Museum gefeiert werden, er wurde aber digital am Leben erhalten. Es wurde ein Aufruf gestartet und „Solidarische Geschichten aus der Nachbarschaft“ gesucht. Die Geschichten wurden dann rund um das Kottbusser Tor zum Lesen aufgehängt.
Neue Kooperationen
Die neue Kooperation mit dem Prinzessinnengarten am Moritzplatz, welcher ein Ort von und für die Nachbarschaft werden soll, feierte am 18.9. mit dem Team von Selam Opera! der Komischen Oper Berlin und dem Stück „Komşu Dolmuş“ seinen Auftakt. Am 10.10. fand im Rahmen der Kreuzberger Kiezutopien in Kooperation mit der Lebenshilfe Berlin ein Wandmal-Workshop zum Thema Natur, Öffentlicher Raum und Umwelt im Prinzessinnengarten statt. So wurde ein erstes Stück des Zaunes bunt gestaltet. Seit Dezember findet im Prinzessinnengarten außerdem die „Kreuzberger Suppenküche“ des Aktionsbündnisses „Solidarisches Kreuzberg – Obdachlosigkeit im Stadtteil“ statt.
Eine weitere Kooperation, die man in 2020 herausstellen muss, ist die mit der Bilgisaray. Nicht nur wird dort für die „Kreuzberger Suppenküche“ gekocht, sondern es findet auch die wöchentliche Familiengarten-„Kiezsprechstunde“ statt. Dort können Nachbar*innen vorbei kommen und sich über Angebote im Kiez informieren und austauschen.
Aktionsbündnis „Solidarisches Kreuzberg – Obdachlosigkeit im Stadtteil“
Im zweiten Lockdown im November gründete sich dann das Aktionsbündnis „Solidarisches Kreuzberg – Obdachlosigkeit im Stadtteil“. Im Bündnis kommen u.a. Gemeinwesenarbeiter*innen aus Mehrgenerationenhäusern, Familien- und Stadtteilzentren und Nachbarschaftshäusern mit Kiezinitiativen, Organisationen und Vereinen aus der Wohnungslosen- und Obdachlosenhilfe zusammen. Mit solidarischen Aktionen in den Kiezen, werden im Austausch mit Selbstvertretungsinitiativen, Unterstützungsangebote geschaffen. Dazu gehören u.a. die Organisation von Gabenzäunen, die Akquise und Verteilung von Schlafsäcken und Thermoskannen, die Kampagne „Auffüllort für heißes Wasser. Kostenlos.“, eine Wochenübersicht von Angeboten für obdachlose Menschen sowie die „Kreuzberger Suppenküche“. Außerdem hat das Aktionsbündnis am 23.12. eine Stellungnahme veröffentlicht.
Das Jahr 2020 fing mit dem Thema Obdachlosigkeit an, hörte damit auf und wird uns auch in der Zukunft begleiten. Dabei schwingen Themen wie soziale Ungerechtigkeit, Verdrängung, Recht auf öffentlichen Raum und Stigmatisierung mit. Themen, mit denen sich die Gemeinwesenarbeit des Stadtteilzentrums Familiengarten auch in 2021 auseinandersetzt: Transparenz, Beteiligung und Information.